Wenn wir geboren werden, sind wir auf der einen Seite unbeschrieben (so, denken wir) und vollkommen angewiesen auf unsere Bindungspersonen. Vorrangig natürlich auf unsere Mutter. Und dann trifft Mutter auf Kind und Kind auf Mutter. Das Kind war 9 Monate im Bauch der Mutter und hat alles miterlebt, was die Mutter erlebt hat. Ihre Gefühle, ihr Denken, ihre Bewegungen und ihre Ernährung…also so unbeschrieben ist das Kind dann doch nicht, oder?
Gehen wir davon aus, dass die Mutter sich riesig auf das Kind freut, dem Kind nur Liebe entgegen- bringt, es innerlich begrüßt, mit es spricht, also Kontakt aufnimmt. Was für eine geniale Voraussetzung dieses Kind hat, bevor es das Licht der Welt erblickt und das erste Mal seine Mutter sieht.
Doch eine Vergangenheit hat immer seine Prägungen, Erfahrungen. Und diese führt dazu, dass die Mutter evtl. nicht ganz mit sich verbunden ist, sondern Gefühle abgespalten hat. Sie weiß gar nicht, dass sie schon im Mutterleib mit dem Kind hätte Kontakt aufnehmen können. Das führt dazu, dass das Kind wie in einem Vakuum heranwächst. Dann wird es geboren und die Mutter ist auch noch enttäuscht, weil es ein Mädchen ist, denn sie hat sich doch so sehr einen Jungen gewünscht. Hat sie das wirklich, oder hat sie es wiederum von ihrer Mutter übernommen? Die junge Mutter hat gelernt (von ihrer Mutter), nur Jungs haben in dieser Welt die Möglichkeit, sich zu entfalten. Und nun das. Instinktiv weiß die Mutter, das Kind hat keine Chance in diesem Leben als Mädchen, als Frau. Das hat sie selbst erfahren. Und das prägt das Neugeborene. Es braucht keine explizite Kommunikation dafür, das Kind spürt das. Nun versucht das Mädchen ihre Identität zu finden, Mädchen, Frau sein geht nicht, weil sie ja Junge sein soll. Junge ist sie aber nicht und ihr weiblicher Teil in ihr ist verletzt, kann und darf sich natürlich auch nicht entfalten. Ja, was ist sie denn eigentlich? Also fängt sie an, die Verantwortung, wie sie sein soll, abzugeben. An ihre Eltern. Der Vater ist sehr dominant. Und die Mutter hat ja aufgrund ihrer Erfahrung gelernt, sich unterzuordnen. Also was macht das Kind, um eine lebensnotwendige Bindung zu sichern? Es nimmt sich immer weiter zurück. Ein Gefühl, wer sie wirklich ist, kann sich nicht entwickeln. Die Verbindung zum Herzen ist nicht vorhanden.
Das alles passiert in den ersten Lebensmomenten und Lebensmonate. So entscheidend für das Leben eines Babys, eines Menschen! Also dieses angeblich so unbeschriebene Kind ist nicht wirklich unbeschrieben, sondern es nimmt das abgespaltene Gefühl der Mutter auf, es zieht sich das Kleid der Mutter an, das, was die Mutter abgelegt hat, abgespalten hat. Aber auch (fast) alles andere, was das Kleid so mit sich bringt. Es sind die Schmerzen, die die Mutter, bedingt durch ihre eigene Geschichte nicht fühlen wollte. Nun kann sich das Mädchen mit der Mutter identifizieren und im Kontakt sein. So ist das Kind an die Mutter gebunden, es hat die Bindung gesichert. Das große Drama ist nur, dass das Kind sich nicht wirklich entfalten kann, wer es eigentlich ist. Ein bisschen wohl schon, im Laufe des Lebens, aber in der Essenz eben nicht.
Das Kind, jetzt erwachsen, lernt erst viele Jahre später, wie und warum ihre Mutter so war, wie sie war. „Hör auf dein Herz“ heißt es immer. Aber wie soll das gehen, wenn man es nicht versteht, wie es denn wirklich geht, da man es nie gelernt hat. Sich selbst fühlen, wer bin ich, was will ich, was tut mir gut, wirft viele Fragen auf. Die Suche nach sich selbst, seinem wahren Selbst beginnt…… Als erwachsene Frau spürt sie endlich die Schwere des Kleides, die Begrenzung, das die Werte eben nicht ihre sind, und auch gar nicht wirklich ihr Leben ist. Die ersten Schritte zur Veränderung….